Brief aus Eckernförde – Lobpreisung des Versuchs #67
Margarete Brix huldigt heute Morgen dem Versuch. Dem Versuch etwas zu ändern. Dem Versuch etwas zu lernen. Dem Versuch irgendetwas Großes und Mächtiges zu besiegen. Das klingt ein wenig nach „Moment mal – Kirche auf Brauweilerblog.de“. Und ich brauche so etwas in dieser Zeit – Besinnung. Einfach mal in das dritte Adventswochenende abtauchen und allen Stress vergessen. Geschenke kann ich auch noch nächste Woche kaufen. Den Nikolausmarkt in Brauweiler haben wir gut über die Bühne gebracht. Bei einer Tasse Tee werde ich mich an den Adventskranz zurückziehen und die vorweihnachtliche Ruhe geniessen. Vielleicht raffe ich mich auf zu dem schönen Markt auf der Junkerburg in Geyen. Es kommt auf einen Versuch an. Und jetzt schalten Sie bitte weiter zu: Maggie! (Illustration: Meike Teichmann)
Moin, moin,
was ich ja gar nicht leiden kann, ist diese wegwerfende Handbewegung. Diese Geste, die ihr Gift aus Missachtung, Verzweiflung, Dummheit, Arroganz und Faulheit gewinnt.
Im Straßenverkehr beobachte ich das und bei Diskussionen, ich habe Besucher von Sportveranstaltungen entsprechend reagieren sehen und Ehepartner. Den Adressaten der Handbewegung wird unterstellt, sie seien blöd, faul, unwillig oder bösartig. Das ist sicher nicht immer falsch, aber oft liegt der, der das vernichtende Urteil fällt, ziemlich daneben.
Zuletzt sah ich die wegwerfende Handbewegung auf der Nikolausfeier hier im Ykaernehus. Eine ältere Mitbewohnerin öffnete ein Päckchen. Sie zerrte und knüpfte und schließlich kam ein offenbar selbstgestrickter Schal zum Vorschein. Die Enkelin hatte ihn gestrickt. Leider passte die Farbe nicht ganz zur Beschenkten, die meist grau, nie aber pink trägt. Ich bin froh, dass die Enkelin nicht gesehen hat, wie ihre Großmutter reagierte, weil sie gerade auf der improvisierten Bühne mit dem Chor der Grundschule sang. Mehr möchte ich zu meiner Beobachtung nicht sagen.
Wer schon mal Grundschulkinder beobachtet hat und erleben durfte, welch mächtige Welle der Begeisterung die kleinen Menschen erfasst, wenn sie in den scheinbar willkürlich aufeinander folgenden Buchstaben S-a-l-a-m-i nach Wochen des Übens, eines Vormittags die Wurst erkennen, wer dieses sich zunächst im Gesicht zeigende und dann den gesamten Körper ergreifende Glück teilen durfte, der wird dem Versuch huldigen müssen.
Wer schon mal gesehen hat, wie sich jemand freut, der nach überstandener Krankheit wieder auf die Beine kam, das Zimmer verlassen konnte, ein Stück Selbständigkeit zurück erobert hat, auch nach Rückschlägen den Humor nicht verlor, der wird den Versuch zu schätzen wissen.
Wer erste Flugversuche junger Störche oder Stehversuche eines Fohlens gesehen hat, der muss ein Herz aus Stein haben, wenn er die Hand hebt und einem Versuch die Anerkennung mit einer einzigen herablassenden Bewegung verwehrt.
Wer sich daran erinnert, wie er das erste Mal vorsichtig tastend nach der Hand der Liebsten zu greifen wagte, weiß, wie schwer ein Versuch wiegen kann.
Ich bin allen dankbar, die den Mut zum Versuch aufbringen. Ohne den Versuch gäbe es kein Ergebnis.
Für Sie und Euch einen schönen 3. Advent
Margarete Brix
P.S. Fiete versucht gerade das Rauchen aufzugeben. Nach über 50 Jahren. Fiete ist ein Held.