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Brief aus Eckernförde – Demographie und Alltag #6

(red) „Die Demographische Entwicklung“ – die Politiker reden ständig davon, man müsse ihr Rechnung tragen. Die Wohlfahrtsverbände bauen ein Altersheim nach dem anderen. So auch in Brauweiler, das zweite ist eingeweiht, die Künstlerresidenz, naja – das leidige Thema- , die soll ja irgendwann folgen. Die Stadtverwaltungen machen sich darüber Gedanken, ob sich auf allen Fußwegen Rollatoren begegnen können, – und stoßen auf Problemfälle wie in unserer Bernhardstraße. Aber wo kommen die eigentlich Betroffenen zu Wort? Bei uns im brauweilerblog.de – Wir haben unsere Urlaubsbekanntschaft Margarete Brix gefragt. Sie ist schon lange im Ruhestand, behauptet jedoch einfach mal: „Die Demographische Entwicklung ist relativ.“ In Eckernförde, Brauweiler, überall, aber lesen Sie selbst. (Illustration: Meike Teichmann).

 

Moin, moin,

 

neulich las ich, dass Steinbrück, der (im Ergebnis der öffentlichen Wahrnehmung) selbst ernannte Kanzlerkandidat der SPD, wieder einmal die Rente mit 67 verteidigt hat. Wegen der demographischen Entwicklung. Und der Journalist, der Steinbrück zitierte, mutmaßte, man müsse sich wohl darauf einstellen, dass in Bälde auch über 70-jährige noch ein Geschäft eröffneten. Ja, dachte ich, das würde mir auch Spaß machen. Die Ermittlungen lasten mich einfach nicht aus. Mir stünde der Sinn nach einer Buchhandlung, die juristische Weltliteratur anbietet. Unverständliche Kommentare, sinnfreie Gesetze, haarsträubende Plädoyers, so was in der Art. Ich besprach meine Geschäftsidee im Speziellen und die Rückkehr der Alten ins Erwerbsleben im Allgemeinen mit Fiete, Jörn und Fritze. Was soll ich sagen, wir gingen regelrecht aufeinander los. Während Jörn sofort Feuer und Flamme war, während er es als Signal an die übernächste Generation betrachtete und rasch entschlossen war, eine Kita direkt am Strand zu eröffnen, sperrte sich Fritze vollkommen. Es sei sein gutes Recht, den Ruhestand zu genießen.  Dieses Recht habe er in soundsoviel Dienstjahren erworben. Man muss vielleicht wissen, dass Fritze beim Zoll war. Oberinspektor. Fiete, er war das, was man als Baulöwen bezeichnet, hielt sich ganz gegen sein Naturell zurück und wirkte nachdenklich. Schließlich gab er fein lächelnd bekannt, er würde seiner Tochter (ein schlaues Luder, dass Fietes „Burmester-Bau“ inzwischen zu führen glaubt) gleich morgen vorschlagen, Seniorenexperten auf Honorarbasis zu beschäftigen. Burmester-Bau wolle bald eine Seniorenresidenz entwickeln und da kämen die Alten gerade recht. Erstens wüssten sie tatsächlich, wovon die sprächen und zweitens wären sie werbemäßig hervorragend auszuschlachten. Fritze staunte, Jörn hüstelte zustimmend und wir nahmen noch schnell einen Köm für den Weg. Wir mussten auch langsam los, denn es war Dienstagabend, der heilige Abend der Chorprobe.

 

 

Und dann das. Die Dinge waren gesagt, die letzte Sonne des Tages wärmte Körper und Geist aufs Angenehmste. Die Luft war lau und es herrschte eine friedliche Stille.

 

Also gehen wir schiedlich, friedlich nebeneinander am Hafenbecken entlang. So, wie wir es vor vielen Jahren manchmal als Schüler taten. Stürmisch voranschreitend damals. Raumgreifend. Unsere Variante ist heute weniger lebhaft, aber sie zeugt von gelassenem Selbstbewusstsein.

Einige Minuten währt die Ruhe und wir hören ob der Windstille nur unsere eigenen, leicht schlurfenden Schritte, die dem Alter und seinen Begleiterscheinungen geschuldet sind. Mit gut 70 ist es, wie es eben ist.

 

Dann reißt uns unerwartet das Geläut einer mit Nachdruck bedienten Fahrradklingel aus der monotonen Lethargie des Schlenderns. Wir stieben auseinander, jedenfalls tun wir das im Rahmen unserer körperlichen Möglichkeiten und machen Platz. Zwischen Jörn auf der rechten und mir auf der linken Seite der zersplitterten Gruppe schießt ein Fahrrad so rasch hindurch, dass ich den Fahrtwind deutlich zu spüren bekomme. Die Pilotin schimpft wütend: „Rücksichtslos, junges Gemüse.“ Und braust Richtung Klappbrücke davon. Wir alle kennen die Furie. Es ist Lenchen Börnsen, die ehemalige Vorzimmerdame des Bürgermeisters. Lenchen ist 93. Das mit dem Alter und der Demographie, das hat mehr als eine Seite. Hoffentlich weiß Steinbrück das.

 

Ihre Margarete Brix

 

P.S. Der Titel der Kolumne erinnert mich ein wenig an das „Fehlfarben“-Album „Monarchie und Alltag“ aus dem Jahr 1980. Mein Neffe wünschte sich diese Langspielplatte zu Weihnachten, wir hörten einen lieben langen Heiligen Abend lang „Es geht voran“. De Tid, de löpt.

 

 

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