brauweilerblog

(red) Diese Woche war wie die Ruhe vor dem Sturm. Zumindest hier in Brauweiler. Aber jetzt wurden wir ja ordentlich durchgepustet. Unser Dorf rüstet sich langsam wieder für den Normalbetrieb. Was hat Margarete Brix aus Eckernförde zu erzählen? Wir haben Maggie ja am Silvestertag kurz gesehen, als Arnd Rüskamp und ich uns im Café Heldt unweit des Eckernförder Marktplatzes getroffen haben. Sie linste wie immer über die Tageszeitung, – ich meine, es war die SZ -, und beobachtete das bunte Treiben um sie herum. Aber darum soll es heute gar nicht gehen. Es geht um unsere Zukunft. Es geht um junge Menschen, die weder Wind noch Wetter scheuen. Die auch mal laut werden. Occupy Ecktown oder gar Occupy Brauweiler? Nö, manchmal reicht schon ein tolles Straßenkonzert begleitet von Windböen und Nieselregen.

Moin, moin,

noch liegen Reste des Feuerwerks in den Straßen. Noch warten auch im Bundespräsidialamt Altlasten auf Entsorgung. Die Schuldenkrise ist nicht bewältigt, der Klimawandel mahnt mit zweistelligen Temperaturen mitten im Winter, und von ebenso schlechten wie alten Angewohnheiten habe ich mich noch immer nicht getrennt.

Aber die Zukunft ist jung. Vorgestern habe ich sie gesehen und ich habe sie gehört.  Ein böiger Westwind pfeift um die Häuser,  immer wieder Regenschauer, ein insgesamt und einigermaßen ungemütlicher Tag, an dem die Menschen eine Hand an der Kapuze haben, damit sie ihnen nicht vom Kopf geweht wird. Aber der Wind trägt Musik durch die Nikolaistraße bis hinüber zum Hafen. Die Lautstärke schwillt mit den Windböen an und ab. Ein bisschen klingt die Musik nach Karibik. Ob das Steeldrums sind? Ich folge den Klängen und bin überrascht, dass es bei diesen widrigen Bedingungen eine Veranstaltung unter freiem Himmel gibt. Noch überraschter bin ich, als ich sehe, dass hier Livemusik gemacht wird. Zwei Marimbaphone und ein Vibraphon, dazu einige Percussioninstrumente. Eine ansehnliche Gruppe von Kapuzen- und Mützenträgern hat sich um die Klangquelle gebildet. Füße wippen in Pfützen und immer wieder klimpern Münzen im roten Eimer. Verdientermaßen, wie ich finde. Das klingt wirklich großartig. Als ich mich aus dem Rücken der Musiker heraus nach vorn gearbeitet habe und in ihre Gesichter sehen kann, staune ich nicht schlecht. Drei Jungs im Alter zwischen vielleicht 11 und 14 Jahren bedienen jeweils drei Klöppel in atemberaubender Geschwindigkeit und mit traumwandlerischer Sicherheit. Wind und Regen trotzend spielen sie ihr Programm  für den Wettbewerb „Jugend musiziert“. Und es braucht keine Erklärungen, Pressekonferenzen, Werbekampagnen oder Gipfeltreffen. Alle Zuhörer begreifen sofort, dass diese drei Nachwuchsmusiker viele Stunden im Probenraum verbracht haben und nun mit Applaus belohnt werden. Hier funktioniert es wieder, unser Sensorium für ehrliche Leistung.

Ehrlichkeit, Leistung, unerschrockenes Auftreten?  Ich wünsche mir, dass der eine oder andere vermeintliche Leistungs- und Würdenträger unserer Republik sich diese Begriffe zu Herzen nimmt. Wir brauchen kein staatstragendes Blabla, das vor allem dem eigenen Machterhalt dient. Wir brauchen keine erklärungsbedürftigen Finanzprodukte, keine mittelfristigen Strategien zur Installation eines Kanzlerkandidaten, keine Interessenvertreter, die allein den Gewinnerwartungen der Aktionäre zu Diensten sind. Wir brauchen Leute, die sozial- und umweltverträgliche Ziele haben und diese nachvollziehbar verfolgen. Was die drei Xylophonvirtuosen damit zu tun haben? Zunächst einmal das. Die Jungs bleiben nicht in der warmen Stube hocken, sondern gehen auch dahin, wo es ungemütlich werden kann.

In einer rasant alternden Gesellschaft sollten wir uns endlich den jungen Menschen zuwenden. Das ist nicht nur nützlich. Das macht vor allem – Freude!

Viele Grüße

Ihre Margarete Brix (72)