Brief aus Eckernförde – Fremdfreuen #35
Morgen ist vielleicht schon Poldis letztes Spiel. Hier in meinem Umfeld fällt zu diesem Thema kaum einem noch was ein. Vor ein paar Tagen machte der Stadtanzeiger mal wieder eine seiner Straßenbefragungen, und kaum einer wollte sich zu dem Thema „FC-Rettung, Podolski und Arsenal“ äußern. Aus der Ferne sieht die Sache dann noch mal ganz anders aus. Margarete Brix, Amtsrichterin a.D und unsere Urlaubsfreundin aus Eckernförde, hat Anfang der Woche mit ihrer Freundin Marie aus Köln telefoniert. Und schwuppdiwupp reihten sich Namen wie Podolski, Männel, Rüttgers, Engholm, Wilander wie auf einer Perlenkette. Herrlich, da kann mich nur „Fremdfreuen“. Aber lesen Sie selbst. (Illustration: Meike Teichmann).
Moin, moin,
Fremdfreuen ist so wie Fremdschämen, nur eben andersherum. Ein gutes und positives Gefühl, das ich nun öfter suchen werde. Drauf gebracht hat mich meine Freundin Marie aus Köln. Marie hat familiäre Wurzeln in Brauweiler und verfolgt das dörfliche Geschehen dort auch aus der Domstadt mit Argusaugen. Am 1. Mai rief sie mich ziemlich euphorisch an. Sie berichtete, dass Lukas Podolski künftig in London gegen den Ball träte. Ich zweifelte schon an meinem Gespür. Das sollte Marie derart überwältigt haben? Atemlos dribbelte sie über Prinz Poldi hinweg und landete schnurstracks bei der Schwägerin ihrer alten Nachbarn aus Brauweiler. Die, also die Schwägerin, sei ganz dicke mit der Mutter von dem Jürgen Männel seinem besten Freund. Ich kam nicht mehr mit. Der Jürgen, führte Marie aus, hat ´ne Kneipe in London, eine Kölsche Kneipe. Jetzt dämmerte es mir langsam. „Und was glaubst Du, wo Poldi demnächst sein Kölsch trinkt“, fragte sie triumphierend. „Keine Ahnung“, antwortete ich, ihr den kleinen Spaß lassend. „Na, beim Jürgen natürlich, bei unserm Jürgen.“ Beinahe hatte ich das Gefühl, Marie und Jürgen seien heimlich Geschwister. Marie jedenfalls war so was von glücklich und stolz, dass der berühmte Kicker künftig bei ihrem Jürgen …
Während Marie noch in schillernden Farben ihren Trip an die Themse durch den Hörer schickte, grübelte ich über nähere oder fernere Bekannte, die womöglich in direkten oder zur Not auch indirekten Kontakt zu irgendwelchen A-, B-, oder C-Promis geraten waren oder geraten könnten. Und dann ging es mir auf, das Licht der Erinnerung. Fritze Köppens Sohn hatte mal für die Zeitung gearbeitet und Anfang der 90er Jahre, da hatte er ein Interview mit unserem damaligen Ministerpräsidenten Björn Engholm gemacht. Fritze hatte sogar ein Foto auf seiner Fensterbank zu stehen, dass seinen Sohn neben dem Ministerpräsidenten zeigte. Ich strahlte. Soweit hatte es dieser Jürgen aus Brauweiler noch nicht gebracht. Aber Marie wollte meine Geschichte nicht hören. Sie plante bereits den Besuch der Freizeitkicker von TuS Brauweiler unter Leitung eines anderen Jürgen, der auch aus der Ecke käme und sicher noch politischen Einfluss habe, sodass Jürgen, Jürgen, die Freizeitkicker und Marie schon bald das Allerheiligste, das Emirates Stadium in London besichtigen könnten. Sie müsse jetzt dringend den Olli anrufen, der sei nämlich Kassenwart bei der CDU und, ach, das verstünde ich sowieso nicht … Marie legte auf.
Ich dachte an Fritzes Sohn und Björn Engholm und freute mich für Fritze, dass er so einen berühmten Sohn hat. Und da fiel mir ein, dass meine Nichte während des Studiums in der Vereinsgaststätte vom THW gekellnert hat. Das war Mitte der 90er und falls mich nicht alles täuscht, hat sie damals Magnus Wislander Kaffee und Kuchen serviert. Ach, so ein Freudentag.
Ihre Margarete Brix
P.S. Der Turnverein Hassee-Winterbek ist vorzeitig verlustpunktfrei Deutscher Meister. Herzlichen Glückwunsch!