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Brauweiler, wie hältst du es mit dem Abiball? Ich habe aus nächster Nähe mitbekommen, welchen Stellenwert Abibälle heutzutage haben. Kleid, Schuhwerk, Frisur. Ich habe mich an den Diskussionen einfach nicht beteiligt. Interessant fand ich Vorbereitungen des Balls selber. Da wurden seit 12 Monaten in und um die Schule herum Aktionen gefahren, um die Gelder für den Ball zusammenzuraffen. Einzelne Schüler hatten leichtsinnigerweise in Eventhallen ihre Unterschrift hinterlassen und standen damit lange Zeit vor dem finanziellen Abgrund. Jeder, der schon einmal Milchgeld für die Klassenkasse einsammeln sollte, weiß, wovon ich rede. Mein Tipp heute, nachdem ich den Brief aus Eckernförde gelesen habe: Sollten einem Abschlussjahrgang noch Gelder fehlen, dann macht doch einen Sponsorenlauf in Abiballgarderobe. Auch diese  Art Veranstaltungen erleben momentan  eine Konjunktur. Und jetzt hat Margarete Brix, Amtsrichterin a.D. aus Eckernförde, das Wort. (Illustration: Meike Teichmann)

Moin, moin,

1959 habe ich Abitur gemacht. Ich erinnere mich nicht an Prüfungsfragen und Noten, nicht an die Rede unseres Direktors. Ich erinnere mich an das Kleid, dass ich zur feierlichen Übergabe der Zeugnisse trug. Anfang der 50er hatte Christian Dior den „New Look“ kreiert. Oben ein Korsett, das den Atem nahm, unten wallender Stoff, der selbst normales Gehen behinderte.Meine Mutter hatte kein Geld, aber die Nachbarin eine Nähmaschine. Aus zwei verschiedenen Stoffen nähten die Damen also 1950 ein Kleid für meine Mutter, dem ich neun Jahre später zu neuen Ehren verhelfen sollte. Es war erniedrigend! Als ich im letzten Herbst mit Marie alte Fotos anschaute, kriegte die sich kaum mehr ein. „Wie Rita Hayworth für Arme“, prustete sie und konnte nicht wissen, dass mich das noch immer verletzte.

Es kamen die 60er und 70er und das Bekenntnis: „Niemand hat die Absicht einen Abiball zu veranstalten.“ Man hielt sich dran und Abiballkleider waren schlicht überflüssig. Heute ist das gaaanz anders.

Abibälle sind generalstabsmäßig geplante Großevents. Und die Wahl des Abiballkleides beansprucht Abiturientinnen, wie der NATO-Doppelbeschluss ihre Vorgängerinnen 1979. Womit ich zart darauf hinweisen möchte, dass die aktuelle Elterngeneration ein recht überschaubares Maß an Verständnis für den Hype rund um einen Fetzen Stoff aufbringt. Das ist, wie ich eben versuchte, vor dem Hintergrund der politischen Sozialisation, durchaus zu erklären. Aber: Es ist falsch, wie ich zwei Absätze weiter oben am persönlichen Erlebnis verdeutlichte.

Das Abiballkleid ist eben nicht nur die schmeichelnde Hülle für eine Nacht. Es wird auf Festplatten, jedenfalls auf facebook, Jahrzehnte überdauern und immer wieder angeschaut werden. Es friert den kurzen Moment vergänglicher Jugend zum Zeitpunkt höchster geistiger Fähigkeit ein und bleibt als starkes Symbol der womöglich wichtigste Halt für lange Jahre der bis zum Eintritt ins Rentenalter folgenden Entbehrungen. Oder, wie in der Überschrift vorweggenommen: Nun lasst sie doch.

Ihre und Eure Margarete Brix

P.S. Der Samstag ist verplant. Fiete hat mich eingeladen. Windjammerparade in Kiel und wir auf der begleitenden Louisiana Star mit Trinken, Essen und Moderation. Wenn ich bloß wüsste, was ich anziehen soll.

Rasmussen und die Brix: das neue Duo am Krimi-Himmel. In: Tod am Strand.
Soeben bei emons erschienen und erhältlich überall im gutsortierten Krimi-Buchhandel.

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